Jochen Knoke

Jochen Knoke

* 28.01.1948
† 03.04.2009 in Köln
Erstellt von FUNKE Medien NRW GmbH
Angelegt am 03.04.2009
2.807 Besuche

Über den Trauerfall (2)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Jochen Knoke, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

Von änne knoke, köln

06.06.2010 um 17:28 Uhr von VRS Media
Rede Beerdigung

Von Änne Knoke, Köln

23.07.2010 um 00:16 Uhr von VRS Media
+Rede Jochen + , 22.04.2009 Liebe Verwandte, Freunde, Bekannte von Jochen, es ist schön, dass so viele den Weg hierhin gefunden haben, um Jochen Tschüss zu sagen. Danke dafür. "Du fragst mich, was soll ich tun? Und ich sage: Lebe wild und gefährlich". Dieses Zitat Arthur Schnitzlers ist der Traueranzeige für Jochen vorangestellt und ich finde, es ist ein treffendes Zitat. Jochen konnte "wild" sein, Jochen war unkonventionell - und gefährlich war dieses Leben allemal. Der heute so gerne bemühte Begriff der Nachhaltigkeit war ihm fremd, und zwar - so wie ich ihn wahrgenommen habe- in fast allen Bereichen, die ein Leben ausmachen. Er war kein Kostverächter - und das meine ich im eigentlichen Sinne des Wortes. Er konnte hervorragend kochen und tat das häufig und mit Vorliebe für Gäste, aß selbst mindestens genauso gern wie er trank und fand oft die Stopptaste nicht mehr. Was er beherrschte, tat er mit Leidenschaft, dazu zählte auch und vor allem sein Beruf. Er war Kriminalbeamter und nach einigen bitteren Erfahrungen, die durchaus traumatisch zu nennen sind, wurde er pensioniert und machte sich über einige Umwege, unter anderem war er Koch und Gastronom, als Detektiv selbstständig. Und diesen Beruf hat er geliebt, da bin ich sicher. Er hat spannende Geschichten erzählt, über angeblich Verschwundene - oft waren es Tote, die gar nicht tot waren, irgendwo in New York oder in Kiew- "die sich mal eben über ihre Lebensversicherung frisch machen wollten", so wie Jochen es wahrscheinlich ausgedrückt hätte. Es war sicherlich kein ungefährlicher Job, den Jochen da ausübte. Aber, s.o., das passte zu ihm. Jochen war für mich -ich bin sein 16 Jahre jüngerer Schwager- der besondere Vertreter einer Zwischengeneration. Ein 68er, der alles andere war als ein typischer 68er, kein Dogmatiker, kein Hippie aber ein Freigeist, der in keine mir bekannte Schublade passte. Als ich ihn Ende der Siebziger kennenlernte war ich vierzehn und ich hatte nur mit Gleichaltrigen zu tun, kannte noch ein paar Gesichter aus dem Freundeskreis meiner Schwester oder hatte mich mit einer Eltern- und Lehrergeneration auseinanderzusetzen, denen die innere Zerrissenheit eines schwer pubertierenden Irrläufers, wie ich nun mal einer war, gewaltig auf die Nerven ging. Diese Generation war stolz darauf, was sie geschaffen hatte, erfreute sich des Wohlstands und hatte genug damit zu tun, diesen Zustand zu verwalten. Nicht so Jochen! Er häufte nicht an, oder wenn, dann hat er das Häuflein in Windeseile planiert. Er tat es vielleicht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn dazugehören wollte er schon, er wollte auch "haben", und er hatte ja auch. Sehr schöne und geschmackvoll eingerichtete Häuser oder Wohnungen in Halver, Hückeswagen, Köln, Ibiza oder sonst wo. Autos, die was hermachten. Er spielte Golf oder versuchte sich im Fallschirmspringen. Nur nie für lange Zeit. Denn er konnte das nicht. Er konnte nicht halten, nichts be-halten. Dazu brauchte es Disziplin, dazu bedurfte es einer ihm bis in die letzte Pore zuwider seienden Maßregelung seiner selbst. Und ich glaube, das "Behalten" war ihm im Grunde seines Herzens auch nicht wichtig, sogar eher lästig. Er hatte einfach keine Lust, "nein" zu sagen. Im Gegenteil, und das war das Wunderbare: Er war großzügig. Er gab gerne, ließ andere teilhaben am vergänglichen Glück des Wohlstands. Er half, wenn es ihm möglich war. Und ich darf aus meiner Perspektive sagen: er und Änne haben mich mehr als einmal aus dem Sumpf gezogen, sei es, dass sie mich wie selbstverständlich aufgenommen haben, mir Geld zugesteckt haben, mit mir geredet oder mich einfach in Ruhe gelassen haben. Und ich war nicht der Einzige, der diese Großzügigkeit und selbstverständliche Herzlichkeit erfahren durfte. Dass umgekehrt in Notzeiten nicht unbedingt mit der Hilfe der Anderen zu rechnen war, nahm Jochen wohl zur Kenntnis. Aber das hinderte ihn nicht daran, Anklopfenden auch weiterhin die Tür zu öffnen. Er konnte eben nicht anders. Solch einen Menschen durfte ich also als Jugendlicher kennenlernen. Dabei war ich mehr als einmal irritiert über diesen kauzigen Freund meiner Schwester. Als sich Anfang der 80er Jahre bei mir so langsam ein politisches Bewusstsein herausbildete und ich ab und zu auch mit Jochen über Politik redete, mir aber noch nicht sicher war, wo genau ich politisch stand oder was ich wählen sollte, half mir Jochen auf seine Art. Er besaß zu dieser Zeit ein hübsches Auto: eine gelbblaue Kastenente, die er wenige Tage zuvor gebraucht gekauft hatte. Wir fuhren von Rade nach Halver und aus irgendeinem Grund saß ich mit ihm hinten im Laderaum. Wahrscheinlich hatte er gerade seinen Führerschein verliehen und Änne oder sonst wer musste fahren, ich weiß es nicht mehr. Was ich jedoch noch genau erinnere: Es war Frühling, ein wunderschöner Tag, alles grünte und blühte. Ich schaute aus dem Fenster und dachte: is schon ganz schön hier, im Bergischen. Und dann begann Jochen, das Auto in den Urzustand zurückzuführen. Himmel und Seitenwände der Ente waren mit Teppichboden ausgeschlagen. Sah ganz heimelig aus, fand ich. Jochen war anscheinend anderer Meinung und fing an, den Teppich abzureißen. Er öffnete bei voller Fahrt die Tür des Laderaums und warf das ganze Zeug raus. Mitten auf die Straße und in die malerische bergisch-märkische Natur. Ich fand das nicht komisch und fragte, ob er sie noch alle habe. Er sah mich mit für ihn typisch aufgesetzter Strenge an und sagte: "Ich hoffe, du weißt jetzt, was du zu wählen hast, Axel!" So wurde ich also bis auf weiteres Grün-Wähler und Jochen für mich der größte Pädagoge aller Zeiten. Und, das ist für mich fast genauso wichtig: mir erschloss sich eine ganz besondere Abart des grotesken Humors. Aber, -wie sollte es anders sein-, es gab auch einen anderen Jochen. "Dieses Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden, verletzt mich." Diese Zeile stand in einem Brief von ihm an eine mir unbekannte Frau, den ich letzte Woche im Zuge des Verfassens dieser kleinen Rede in seinem Rechner fand. Ja, ich habe ihn gelesen, den Brief und ich denke mal, dass Jochen mir deswegen nicht böse ist. So, wie er über erwähnte Äußerlichkeiten versuchte, einen mir bis heute nicht ganz nachvollziehbaren Minderwertigkeitskomplex zu bekämpfen, so sehr hatte er Schwierigkeiten zu glauben, dass er geliebt werden könnte. Er wurde geliebt, das weiß ich, und nicht erst, seit ich Änne und Laura in Jochens letzten Tagen an seinem Bett habe stehen sehen. Änne, Jochens zweite Frau, hat 30 Jahre lang eine tragende Rolle in seinem Leben gespielt und umgekehrt. Sie waren zusammen, trennten sich, sie haben geheiratet, ließen sich scheiden, sie küssten sich, schlugen sich, sie trennten sich, rauften sich wieder zusammen. Eine merkwürdige Beziehung, sollte man meinen. Geprägt von starker wechselseitiger Abhängigkeit. Sie konnten nicht miteinander, aber ohne einander ging es auch nicht. Ein stetes Auf und Ab, 30 Jahre lang. Oft leicht und beschwingt und voller Genuss, oft bis an die Grenze des Erträglichen. Aber die eigentliche Substanz, die diese Beziehung ausmachte, hat sich nie zersetzt. Und wird sich, auch über den Tod hinaus, nicht zersetzen. Es gibt womöglich keine Erklärung dafür, warum Paare zu Lebzeiten oft barbarisch miteinander umgehen, sich viel zu häufig verletzen, sich wegen Kleinigkeiten entzweien. Außer vielleicht einer: wenn die Seelenverwandtschaft beider darin besteht, dass sie zu viele Sensoren für dieses Leben haben. Dass beide eben keine Scheuklappen tragen, dass beide zu viel wahrnehmen. Wie soll jemand, der wie der detektivische Jochen ständig die Antennen ausgefahren hat, glauben können, dass er selbst auch wahrgenommen, ja, geliebt wird? Wer ständig peilt und sendet, kann nicht empfangen. Erst zum Schluss, als alles andere unwichtig wurde, haben sich Sender und Empfänger vereint. Schon schwer gezeichnet von seiner Krankheit, nahm Jochen immer noch jedes ungewöhnliche Geräusch, jede ungewöhnliche Bewegung im Krankenzimmer und auf dem Flur wahr. Aber der Detektiv mit den vielen Sensoren wusste auch: ich bin nicht allein. So oft er auch den Arm suchend in die Höhe streckte, seine Hand griff nicht ins Leere. Sie wurde gehalten. Von einer liebenden Änne natürlich und einer wunderbaren Laura, die in den letzten Wochen über sich hinausgewachsen sind. Meine Gedanken sind bei euch, und auch bei Jochens Töchtern Kathrin und Henrike, seiner Mutter Lieselotte und seinem Bruder Hermann. * Jochen wurde 61 Jahre alt. Das scheint nicht viel. Aber er hat es krachen lassen. Und er hat viel erlebt. Ich behaupte mal: dafür benötigen andere die doppelte Lebenszeit. Die möglicherweise aber auch nur halb so wild und gefährlich wäre. Ich möchte mit einem Zitat aus dem Lied "So oder so ist das Leben" schließen. Komponiert hat es Theo Mackeben, der Text ist von Hans Fritz Beckmann. Das Lied wurde, wie passend, für den Film "Liebe, Tod und Teufel" aus dem Jahr 1934 geschrieben. Man lebt auf dieser Welt und sucht das Glück und weiß nicht wo es hier auf Erden wohnt Der eine sieht im Geld sein Ziel und sein Geschick der and're glaubt daß nur die Liebe lohnt Ein jeder hat das Recht zum Glücklichsein den Weg mußt du dir suchen kreuz und quer ob's gut geht oder schlecht das weiß nur Gott allein dir bleibt die Wahl und sei sie noch so schwer Du mußt entscheiden wie du leben willst nur darauf kommt's an und mußt du leiden dann beklag dich nicht du änderst nichts dran